Egal wie viel Kraft du hast, ab einem gewissen Punkt beim Bouldern wirst du mit purer Kraft nicht weiterkommen. Sehr ernüchternd für alle Männer die das jetzt lesen, ich weiß, aber mit rohem Krafteinsatz alleine wirst du vielleicht die ersten drei Schwierigkeitsgrade einer Halle schaffen. Spätestens wenn du so nicht mehr weiterkommst, dann stellst du dir die Frage „wie werde ich besser beim Bouldern?“. Wenn du im Bouldern und Klettern richtig stark werden willst, musst du einerseits die Technik draufhaben und andererseits gewisse Standards beherrschen. Die Verlagerung des Körperschwerpunkts und das Timing des Greifens sind hiervon nur zwei von etlichen Möglichkeiten.
Ich habe die fünf wichtigsten Tipps und Tricks zusammengetragen, die dich direkt bei deiner nächsten Session schon weiterbringen werden. Das versichere ich dir!
Doch warum überhaupt?
Es gibt kaum einen Sport bei dem ein vielfaches deines Körpergewichts von so kleinen Teilen deines Körpers getragen wird, wie beim Bouldern oder Klettern. Beispielsweise am Überhang, an kleinen Fingerlöchern, an welchen nur ein oder zwei Fingerglieder zum Einsatz kommen. Das ist natürlich ein Extrembeispiel. Dennoch ist es beim Bouldern und Klettern enorm wichtig den Großteil der wirkenden Kräfte, weg von den Händen und auf die Beine zu verlagern. Das kann einen so heftigen Unterschied im Kraftbedarf machen, dass dir ein und dieselbe Route auf einmal 10x so leicht vorkommt. Deswegen ist es unausweichlich den Fokus weniger auf Kraft- und mehr auf Technik-Training zu setzen. Die Fingerkraft kommt definitiv erst im späteren Verlauf deiner Boulder-Karriere.
Die 5 besten Techniken und Tipps fürs Bouldern
Eindrehen
Das Eindrehen sorgt dafür, dass dein Schwerpunkt näher an der Wand ist und du das Gewicht besser auf die Beine verlagern kannst. Oft drückt man sich selbst aus der Wand raus, wenn der Körper gerade zur Wand gerichtet ist. Dadurch wirkt ein wesentlich höherer Zug auf den Händen und das macht die Route viel schwerer. Doch schauen wir uns an, wie wir eben diese Kraft sparen können. Wir unterscheiden in zwei verschiedene Arten des Eindrehens.
Das Eindrehen auf zwei Tritten:
- Du spannst/drückst dich zwischen zwei Tritte
- Die Hüfte ist so nah wie möglich an der Wand
- Der Haltearm ist optimalerweise lang gehalten
- Diese Haltung wird auch „Ägypter“ genannt
Das Eindrehen auf einem Tritt:
- Es fühlt sich an wie ein seitliches Sitzen
- Wird genutzt, falls du weit zur Seite greifen musst
- Der Greifarm ist äquivalent zum Standbein (wenn du rechts stehst, muss die rechte Hand weiter greifen)
- Du drückst dich aktiv mit dem Standbein in Richtung des nächsten Griffs
- Der freie Fuß wird an die Wand gedrückt
Timing und Deadpoint
Beim Bouldern und Klettern ist der Umgang mit den wirkenden Kräften essentiell. Simpel gesehen sind zwei entscheidende Kräfte am Werk: die von uns ausgewirkte Kraft, um an der Wand zu bleiben und die Schwerkraft, welche uns von der Wand wegzieht. Dazu kommen noch Rotationskräfte usw., wir wollen es jetzt für dieses Thema jedoch etwas einfacher betrachten.
Doch was ist der Deadpoint oder auf deutsch „toter Punkt“? Der Deadpoint beschreibt den Moment, an welchem die genannten Kräfte exakt ausgeglichen sind – quasi ein Moment der Schwerelosigkeit. Wenn du zum nächsten Griff weiter greifst, solltest du immer versuchen diesen Deadpoint zu erreichen. Das spart dir eine Menge Kraft (und Haut). Andersrum: Wenn du diesen Deadpoint nicht erreichst, musst du eine der stärker wirkenden Kräfte wieder ausgleichen und das kostet logischerweise nochmal Kraft. Daher ist insbesondere das Timing entscheidend, mit welchem du den nächsten Griff greifst.
Auf den Bildern habe ich es versucht dir ein wenig anschaulicher zu machen. Der Grüne Pfeil symbolisiert die Schwerkraft und der rote Pfeil die Kraft, welche du zur Wand bewirkst. Du ziehst dich mit mehr Kraft nach oben und genau in dem Moment der ausgeglichenen Kräfte, packst du zu. Das verhindert, dass auf deine Hände unnötige Scherkräfte wirken, die meistens dafür verantwortlich sind, dass man sich verletzt oder die Haut aufreißt.
Beineinsatz
Gerade bei Boulderern mit viel Kraft im Oberkörper baumeln die Beine mehr rum, als dass sie einen Beitrag zur Problemlösung bieten. Ich glaube die ersten Monate bin ich gefühlt 80% der Routen gehangelt. Irgendwann werden die Griffe und Routen jedoch so schwer, dass das meiste mit den Beinen bewältigt werden muss. Versuche dir also deine Beine nicht mehr als „Laufgerätschaft“ vorzustellen, sondern auch als Hände bzw. Greifarm. Gerade Heel-Hooks können dir einen zusätzlichen „dritten Arm“ bieten, was viele Probleme sehr stark erleichtert.
Die Beine kannst du in verschiedenen Situationen nutzbringend einsetzen:
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Heel-Hooks
- Hier legst du die Ferse auf einen Griff und drückst dich zusätzlich aus dem Bein nach oben.
- Schaue, dass der Heel Hook nicht zu weit über Kopfhöhe gesetzt wird, sonst ist er fast unmöglich (für Anfänger – Profis machen das oft).
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Toe-Hooks
- Den Toe-Hook nutzt du meist um dich zu stabilisieren oder zu halten und um eine Rotation oder ein Wegfallen aus der Wand zu verhindern.
- Ziehe die Zehen so fest du kannst an und achte darauf, dass deine Schuhe eine große Gummifläche auf dem Fuß haben.
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Knee-Bar
- Entspannt, entspannter, Knee-Bar. Du verkantest dein Bein zwischen zwei Griffen und brauchst so gut wie keine Kraft mehr (kommst damit aber meistens auch nicht weiter).
- Die Knee-Bar benutzt du eher, um dich während einer etwas längeren Route auszuruhen.
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Verkanten
- Du drückst den Fuß zwischen zwei Griffe und verhinderst auch hier ein rausschwingen aus der Wand. Ähnlich zum Toe-Hook, nur brauchst du weniger Kraft, aber er lässt sich auch schwerer lösen.
- Wichtig: Wenn dein Fuß verkantet ist, du fällst und ihn nicht rechtzeitig lösen kannst, endet das sehr böse für deine Menisken. Daher gerade als Anfänger vermeiden.
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Greifen (ist nicht der offizielle Begriff, aber so erschließt sich es mir als sinnvoll)
- Das Greifen ist mehr eine Kopfsache. Und zwar versuch dir vorzustellen, dass du Griffe auf/an denen du stehst mit den Zehen „greifst“ und dich richtig dran drückst.
- Bleibe immer stehen und versuche die Füße immer am Tritt zu lassen, wenn es von der Reichweite ausreicht. Gerade Anfänger konzentrieren sich nur auf die Hände, verlieren die Tritte und das Pendeln verbraucht extrem viel Kraft.
Wand und Volumen benutzen
Gerade rauhe Wände bieten mehr Grip als du denkst. Den Fuß einfach an die Wand zu stellen, macht oft den Unterschied. Viele Boulderer benutzen ihren zweiten Fuß nicht, falls nur ein Tritt vorhanden ist. Hier jedoch mein Tipp, nimm den anderen Fuß immer an die Wand, es kann nur helfen. Versuche auch Volumen als normalen Teil der Route zu sehen. Oft bieten Volumen einen besseren Halt als normale Griffe oder machen einfachere Moves möglich.
Gutes Equipment
Leihschuhe sind mist. Punkt. Klar, wenn du nur 1-2 mal Bouldern gehst und dann wieder aufhörst, macht es keinen Unterschied. Falls du jedoch vor hast in Zukunft öfter deine Füße an die Wand zu schwingen, empfehle ich dir dringlichst ein gutes paar Schuhe zu kaufen. Ich kann mich noch allzu gut an meine Anfänge erinnern. Ich habe mich damals an einer Route mit sehr kleinen Tritten, wahnsinnig verausgabt und sie einfach nicht geschafft. Nach bestimmt 50 Versuchen und keinem Stück höher, gab mir ein Kollege seine Schuhe. Die waren an sich nichts besonderes. Keine Vorspannung, keine krummen Zehen, keine Schmerzen. Sie hatten aber an der Sohle eine kleine Trittkante – quasi ein kantiger Übergang von Sohle zu Schuh. Durch diese Verbesserung bin ich die vorher unmögliche Route quasi ohne Hände hoch spaziert. Es war auf einmal extrem leicht! Wenn du wissen möchtest, welche Schuhe am besten zu dir passen, findest du hier einen Artikel dazu.
Chalkbags, Chalk und Bürsten machen auch einen Unterschied, sind jedoch für einen Anfänger nicht zwingend notwendig.
Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen auf deiner Reise. Falls dir der Artikel gefallen hat, lass uns zur Unterstützung ein Like da und wenn du jemanden kennst, für den diese Tipps nützlich sind, teile gerne diesen Beitrag mit ihm/ihr.